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Kategorie: Kabarettprogramme

Schutzvorkehrungen

Bekanntlich ist man stets bemüht,
für Sicherheit im Land zu sorgen.
Wenn Terror aber erst mal blüht,
erwischt es uns vielleicht schon morgen.

Man rechnet einfach nicht damit
und plötzlich hat man den Salat:
Die falsche Zeit, ein falscher Schritt,
und – Bumm! – ein Selbstmordattentat.

Ich seh nicht ein, das hinzunehmen,
und stell mich, wo ich leb und wohne,
der Grundgefahr mitsamt Problemen
und bau mir heute eine Drohne!

Natürlich schaff ich keine an,
die ab und zu auf Ziele schießt
und somit Menschen töten kann,
wovon man hin und wieder liest.

Nein, nein, das ginge mir zur weit.
Ich will mich nicht bewaffnet wehren.
Mir reicht es schon, von Zeit zu Zeit
mit meiner Drohne aufzuklären.

Ich werde bloß mal Bilder schießen.
Vor allem aus der Nachbarschaft,
wie Leute ihre Blumen gießen,
nackt baden oder stümperhaft

ihr altes Fahrrad reparieren,
in unsre gelben Tonnen pissen …
Das würd ich gerne kontrollieren,
es schadet nicht, das mal zu wissen.

Wobei – es ist nicht auszuschließen,
dass mir die Bilder zeigen werden,
dass Nachbarn, die sonst Blumen gießen,
mein Leben lange schon gefährden.

Womöglich lebe ich seit Jahren
im Zentrum einer Terrorzelle
und bin mir einfach nicht im Klaren:
Hier wohnen lauter Kriminelle!

Bislang ist das nur ein Verdacht,
doch wenn ich jetzt noch länger warte,
dann hat man mich schon umgebracht,
bevor ich meine Drohne starte.

Ich gehe aber gern als Sieger
hervor und deshalb rasch zu Werke
und bau den unbemannten Flieger,
ergänzt um eine neue Stärke:

Ich bin ja schließlich nicht naiv,
die Drohne wird jetzt explosiv.
Und gucken meine Nachbarn schief,
dann schieß ich eben präventiv!

Doch klappt es nicht auf diese Tour
und lande ich in fiesen Fängen,
dann bleibt als letztes Mittel nur,
mich selber in die Luft zu sprengen!

Michael Feindler 2014

Freiheit durch Kontrolle

Wer den Menschen erzählt, sie würden von ihren Geheimdiensten ausspioniert, gefährdet damit nicht bloß die innere Sicherheit, wie wir längst wissen. So jemand gefährdet einen Grundpfeiler unserer Demokratie: die Freiheit! Und frei ist nicht etwa derjenige, der tun kann, was er will, sondern wer wollen kann, was er tun soll. Denn Freiheit darf es in einer Demokratie nie ohne Verantwortung geben. Und Verantwortung ist bekanntlich eine Sache der Erziehung. Wenn Geheimdienste Ihre Bürgerinnen und Bürger bespitzeln, handelt es sich dabei um nichts anderes als eine gut gemeinte Erziehungsmaßnahme. Wer hätte denn früher regelmäßig seine Hausaufgaben gemacht, wenn keine schlechten Schulnoten gedroht hätten? Welches Kind würde freiwillig sein Zimmer aufräumen, wenn es nicht den Liebesentzug der Eltern fürchtete? Klar, ist das eine subtile Form von Gewalt. Aber eine gut gemeinte. Denn wer kontrolliert wird, wird sich seiner Verantwortung bewusst. Kontrolle verhindert schlechte Gewohnheiten.
Einfaches Beispiel: Wenn ich täglich vor dem Rechner hocke und Fast Food in mich reinstopfe, ist das gegenüber mir selbst verantwortungslos. Wenn ich aber weiß, dass meine Laptopkamera mein Verhalten mitfilmt und das Risiko besteht, dass die Bilder mit dem ungesunden Fraß eines Tages bei meiner Krankenversicherung landen, esse ich künftig eben nicht mehr vor dem Rechner. Oder andere Situation: Mal angenommen, ich plane eine Behörde in die Luft zu sprengen. Rein hypothetisch. Solange ich mich über das Internet kontrolliert fühle, werde ich den Sprengstoff bestimmt nicht bei einem ausbeuterischen Logistikunternehmen bestellen. Stattdessen werde ich diese schlechte Angewohnheit ablegen und zum lokalen Waffenhändler meines Vertrauens gehen. Regionale Produkte fördern.
Erst dann, wenn mich die Erziehung durch Kontrolle zu einem verantwortungsvolleren Menschen gemacht hat, werde ich die Freiheit wirklich zu schätzen wissen.

Michael Feindler 2015

Scheitern lernen

Fast haarfrei, dennoch ungeschoren,
verschrumpelt, schwächlich, wehr- und schutzlos –
so liegst Du da, grad frisch geboren,
gesellschaftlich noch völlig nutzlos.

Den Urinstinkten nachzugeben
und Dich, mein Kindlein, zu beschützen,
wär leicht, doch will ich Dich im Leben
gern effektiver unterstützen,

indem ich Dir die Watte nehme,
in die Dich sonst Dein Umfeld packt.
Dann spürst Du leichter die Probleme,
den Zeitgeist und den Lebenstakt.

Wer nämlich aufgepasst hat, kennt
den Ratschlag wichtiger Experten
aus Business und Management:
Es kommt drauf an, sich abzuhärten!

Das wird den Menschen eingebläut
auf allen Karriereleitern.
Drum merke Dir, mein Kind, schon heut:
Erfolgreich wirst Du nur durchs Scheitern!

Soll Dir der Aufstieg je gelingen,
so musst Du erst am Boden liegen.
Ich habe vor Dir beizubringen,
Dich nie in Sicherheit zu wiegen.

Das wird Dich hin und wieder stressen
und ist kein Null-acht-fünfzehn-Drill.
Trotz allem darfst Du nie vergessen,
dass ich doch nur Dein Bestes will.

Der Plan ist lange schon gefasst –
Du darfst ab heut mit ihm gedeihen
und wirst, sobald Du Hunger hast,
minutenlang vergeblich schreien.

Dann lasse ich mich nicht erweichen,
selbst wenn Dein Stimmchen laut krakelt.
Mit Tränen lässt sich nichts erreichen,
ganz gleich, wie sehr Dir etwas fehlt!

Das Essen kommt schon, gibst Du Ruh
(nach allerspätestens zwei Tagen).
Dann lernst Du hoffentlich dazu,
statt jeden Mangel zu beklagen.

Du sollst ja schließlich daran reifen
und lernen damit umzugehen,
um eines Tages zu begreifen:
Wir fallen nur, um aufzustehen!

Das wirst Du immer wieder merken,
mein Kind, ich sorge schon dafür:
So wird es Dich zum Beispiel stärken,
verbringst Du Nächte vor der Tür.

Und willst Du Fahrradfahren lernen,
sind Hindernisse angebracht.
Das linke Stützrad zu entfernen
ist, wie Du seh’n wirst, schnell gemacht.

Dann fährst Du los, fällst gleich zur Seite
und überlebst den Sturz nur knapp,
wobei Dich dieser Spruch begleite:
Was Dich nicht tötet, härtet ab!

Folgt bald darauf der Lebensernst,
so wage ja nicht einzuknicken!
Ich werde Dich, damit Du lernst,
auf eine Brennpunktschule schicken,

wo aggressive Kinder Dich
in Pausen in die Enge treiben,
denn mit dem Edding werde ich
auf Deine Stirn fett „Opfer“ schreiben.

Ach, ich vergaß noch zu erwähnen:
Du sollst ja Jason-Justin heißen,
damit die Lehrer wie Hyänen
Dein Können in der Luft zerreißen.

Gewiss wirst Du Dich fragen, wie
das durchzustehen ist, doch sieh
in sämtlichen Schikanen die
perfekte Langzeitstrategie!

Womöglich wirst Du dran erkranken
und leiden, aber glaube mir:
Du wirst mir eines Tages danken,
dass ich Dich heute malträtier!

Und stehst Du einmal nicht mehr auf,
weil Angst die Oberhand gewinnt,
bleibt dieser Satz im Lebenslauf:
Du hattest Deine Chance, mein Kind!

Michael Feindler 2014

Die Mitte

Wohin das Leben Dich auch treibt,
Du solltest stets die Mitte meiden,
denn wer dort einmal hängen bleibt,
wird immerzu darunter leiden.

Die Mitte nämlich ist die Stelle,
des höchsten Drucks, der größten Angst,
kein Ein-, kein Ausgang, nur die Schwelle,
von der Du kaum noch fortgelangst.

Die Mitte ist die Defensive.
Dort fürchtest Du den tiefen Fall
aus Frosch- und Vogelperspektive,
denn Ängste lauern überall:

Die Menschen vor und über Dir
beneidest Du und eiferst ihnen
seit Jahren nach, doch scheint es schier
unmöglich, Hoffnung zu bedienen,

die darauf aus ist, aufzusteigen
und möglichst weit voranzukommen.
Du weißt: Du wirst es eh vergeigen –
das Ziel bleibt sichtbar, doch verschwommen.

Und hinter oder unter Dich
magst Du die Blicke gar nicht lenken
Du fürchtest ja, dann würde sich
bestätigen, was viele denken:

Dass jeder, der nach unten schaut,
dem Sturz bereits entgegensieht,
sobald er seinem Stand misstraut
und dann sich selbst nach unten zieht.

Du bist Gefangener der Mitte,
wenn unter Dir der Abgrund klafft,
und fehlt Dir, trotz bemühter Schritte,
zum Aufstieg noch die letzte Kraft.

Du würdest gern den Druck vermeiden
und suchst nach einer off’nen Tür.
Am Ende wirst Du sie beneiden:
die über und die unter Dir.

Denn beide Seiten machen frei:
ganz oben hast Du jede Wahl,
ganz unten – das ist schön dabei –
ist alles, was Du tust, egal.

So steckt ein Rat in diesen Worten:
nimm notfalls einen Sturz in Kauf
und halt Dich an den schlimmsten Orten,
doch niemals in der Mitte auf.

Michael Feindler 2014

An eine PR-Agentin

Du fleischgeword’ne Männerphantasie
spielst leidenschaftlich vieles, was verlangt
und auch verlangend ist, hast aber nie
um Würde oder Ehre je gebangt.

Fast alles ist mit Dir verhandelbar –
wie weit Du gehst, bestimmt allein der Preis.
Für Deine Kunden bist Du wandelbar.
Die Masken sieht nur der, der um sie weiß.

Zudem verstehst Du Leere auszufüllen,
obgleich das bloß mit heißer Luft geschieht.
Du bist die Meisterin der schicken Hüllen,
erschaffst die Haut, die Blicke auf sich zieht.

Was außen abschreckt, kannst Du übermalen,
sodass sich seine Wirkung vollends wendet:
Die Menschen meinen dann, es würde strahlen,
doch werden eigentlich davon geblendet.

Du selber gibst Dich immer sehr diskret,
und kannst mit glatten Hüllen, die Dich kleiden,
und im Gewand der Seriosität
die Blicke in Dein Inneres vermeiden.

Machst Du für Kunden Deine Beine breit
und fallen Deine Hüllen schließlich doch,
entblößt Du Deine Oberflächlichkeit
und in Erinnerung bleibt nur ein Loch.

Michael Feindler 2014

Bildungsreise

Die Welt ist klein, zumindest in den Köpfen.
Wir Menschen mögen es, uns zu beschränken,
statt alle Möglichkeiten auszuschöpfen
und übern Horizont hinaus zu denken.

Nur allzu oft ertappen wir uns beim
Gedanken an erholsame Momente
in unserm eigenen, vertrauten Heim,
und wenn’s nach uns geht, darf das bis zur Rente

auch gern so bleiben, denn die beste Zeit
verbringt man, wenn das Radio ertönt
im Rahmen häuslicher Gemütlichkeit.
Man hat sich unbestreitbar dran gewöhnt.

Trotz dieser Neigung gibt es junge Spunde,
die lieber öfters aus dem Hause gehen
und die beschließen, eine große Runde
durchs Land und um den Erdenball zu drehen.

Denn sie versprechen sich von einer Reise
in andere Regionen und Gefilde,
durch die Erfahrung dort ein bisschen weise
zu werden. Schließlich heißt es, Reisen bilde.

Das tut es auch, wie der Bekanntenkreis
nach einem knappen Jahr auf Fotos sieht.
Erkenntnis Nummer eins: „Es war sehr heiß,
zu unserm Klima echt ein Unterschied!“

Und dann die Menschen anderer Kulturen!
Ein Heimgekehrter schwärmt: „Ach, war das toll
auf so lebendigen und fremden Spuren
zu wandeln. Ein Erlebnis. Eindrucksvoll.

Hinzu kommt: Sich in einem fernen Land
mit off’nem Blick und Neugier umzuschauen,
macht uns als Europäer tolerant
und hilft die Vorurteile abzubauen.“

Ein andrer Fotograf bestätigt nur:
„Ich war ja sowieso noch nie Rassist,
jetzt weiß ich aber sicher, dass Kultur
in jeder Form und Art berechtigt ist.

Das muss man nämlich stets im Kontext sehen.
Ich möchte deshalb wiederholt betonen:
Gewalt ist häufig leichter zu verstehen,
erkennt man sie als Teil von Traditionen.

Oft habe ich mich selber dran gestört.
Inzwischen prägt mich aber die Erkenntnis:
In weiten Teilen dieser Welt gehört
die Unterdrückung gar zum Selbstverständnis.

Das kommt ja schließlich nicht von ungefähr,
dass hier und da noch Diktatoren herrschen.
Und dieser Kult ums eig’ne Militär –
die Leute haben eben Spaß an Märschen.

Auch stimmt es selten, wenn man impliziert,
dass Menschen die Gewalt dort nicht ertrügen,
denn mancherorts wär’n Frauen irritiert,
wenn ihre Männer sie nicht länger schlügen.

Die Menschen werden ja zu nichts gezwungen.
Bloß weil’s uns fremd ist, ist es nicht gleich schlecht.
Im Grunde sind die ganzen Steinigungen
doch nur ein anderes Konzept von Recht.“

„Wir sollten“, heißt es weiter, „auch nichts ändern.
Wir sahen immer wieder auf der Reise:
Der Tod durch Hunger ist in manchen Ländern
schon ritualisierte Lebensweise.

In unsern Ohren klingt das zwar nach Qualen,
doch haben wir erlebt: Den Menschen dort
gelingt es, Glück und Würde auszustrahlen.
Sie sterben gern an ihrem Heimatort

und wissen bis zum letzten Atemzug
das Leben sehr zu schätzen, und zugleich
ist ihnen das, was sie erhalten, oft genug.
Dort gilt, wer niemals hungern muss, als reich.

Wir können uns daran ein Beispiel nehmen.
Denn liegen viele Orte auch entfernt,
so haben wir zum Umgang mit Problemen
im Hier und Jetzt doch einiges gelernt.“

Die Weisheit, die aus diesen Wort spricht,
bekommt in einer langen Fotoreihe
mehr Farbe und in Teilen ein Gesicht,
das meiste ist ein hübscher Blick ins Freie.

So rückt die ganze Weltgemeinschaft näher.
Es wirkt für uns vertraut und sehr gekonnt,
erklären weitgereiste Europäer
die Menschheit hinter ihrem Horizont.

Michael Feindler 2014

Vom Suchen und Finden der Mitte

Liedtext

Du willst mit Dir im Reinen sein und Dich nicht länger binden,
denn Du hast Dich auf den Weg gemacht, um Dich selbst zu finden.
Jetzt möchtest Du in irgend so ein Dorf in Hinterindien reisen,
um dort Tag und Nacht ausschließlich um Dich selbst zu kreisen.

Du konzentrierst Dich jetzt auf Dich, begründest das ausführlich:
„Das ist nicht egozentrisch, sondern nur natürlich,
denn bekanntlich dreht sich um die Sonne unser Erdenreich,
ein Mensch, der in sich ruht, verkörpert beides zugleich.“

Das heißt in andern Worten, mein Erdenschatz und Sonnenschein,
Du würdest nie behaupten, der Mittelpunkt der Welt zu sein –
zumindest nicht der ganzen, denn Deine kleine Welt
besteht ja nur aus Dir, so hast Du’s Dir zurechtgestellt.

Doch apropos Mittelpunkt, Du weißt ja gar nicht wo der ist,
Du suchst seit Neustem Deine Mitte, hast sie lange schon vermisst.
Ich find, Du solltest langsam mal den Flug nach Indien buchen,
da kannst Du fern von mir Deinen Kram zusammensuchen.

Das fandest Du wohl auch, denn kaum hatt’ ich’s ausgesprochen,
war’n Deine Sachen schon gepackt und Du bist aufgebrochen
und machtest Dich auf jenen Weg, der Dich zu Dir selber führe,
schriebst mir eine Karte: „Es ist toll, wie ich mich spüre …“

„Gespürt hast Du Dich sicher“ – das war es, was ich dachte,
als man mir acht Wochen später diese Nachricht überbrachte:
Du sei’st glatt erstochen worden, als Du meditiertest
und Dich grad entspannt auf Deine Mitte konzentriertest.

Der Täter war ein Bauer, der war völlig ausgerastet,
ihn hatten Schulden wegen seines Maisfelds überlastet,
deshalb war er mit dem Drang nach Rache losgezogen
und westlichen Gesichtern ohnehin schon schlecht gewogen.

Doch Du bist Dir bis zu Deinem Ende treu geblieben,
zumindest hat ein Zeuge das später so beschrieben:
Du konntest den verrückten Mörder zwar schon nahen hören,
aber sprachst: „Ich lasse mich von Äußerem nicht stören.“

Die andern sind gefloh’n und Dich hat nichts aus der Ruh gebracht,
der Bauer hat dann kurz darauf Frikassee aus Dir gemacht.
Fast bis zur Unkenntlichkeit warst Du danach verschwunden,
doch später hat man immerhin Deine Mitte noch gefunden.

Der Abonnent

Herr Großmann hält vom Käseblatt,
das täglich seine Heimatstadt
mit Druckerschwärze überflutet,
nicht viel, doch – wie man schon vermutet –
hat Großmann, wenig reflektiert,
die Zeitung dennoch abonniert.
Denn, was man von dem Blatt auch hält –
fast jeder in der Stadt bestellt
und liest es alle Tage, weil …
Der Grund heißt: Regionaler Teil!
Rein journalistisch ist zwar der
besonders stumpf und inhaltsleer,
doch wünschen Leser einen andern,
hilft nur noch eines: auszuwandern.
Für viele aber, die dort wohnen,
gehört das nicht zu den Optionen,
die im Moment in Frage kämen,
stattdessen kann man sich bequemen,
sich täglich drüber auszulassen,
es sei mal wieder nicht zu fassen,
wie überflüssig dieser Brei
im regionalen Blättchen sei.
So pflegt Herr Großmann jedes Mal
das selbe Morgenritual:
Die Zeitung kommt, er liest sie quer,
er ist enttäuscht, dann schüttelt er
den Kopf und fragt: „Was soll das hier?“
und wirft das Blatt ins Altpapier.
Auch wenn das Lesen sich nicht lohnt,
so ist er immerhin gewohnt,
sich morgens kurz mal aufzuregen
und dann die Zeitung wegzulegen.
Und weil er das seit Jahren kennt,
bleibt Großmann treuer Abonnent.

Michael Feindler 2014

Wir Geister, die ihr rieft

(frei nach J. W. Goethes Zauberlehrling)

Hat der Staat im Bildungswesen
sich doch einmal wegbegeben.
Immer wieder war zu lesen,
das sei absolut daneben.
Tief sitzt diese Wunde,
näht sie bloß nicht zu!
Nutzen wir die Stunde
für den Meister-Coup!

Dank der Lücken,
die da klaffen,
lässt sich’s schaffen
abzuschätzen,
wie wir uns mit Lorbeer’n schmücken
und die Staatsmacht fix ersetzen!

Lasst uns neue Schulen gründen,
aber solche, die was kosten!
Die Idee wird sicher zünden –
erst im Westen, dann im Osten.
Denn die Eltern blechen,
wenn sie sicher sind:
Das, was wir versprechen,
halten wir beim Kind!

Füllt die Lücken,
die da klaffen,
dass wir’s schaffen
(statt zu schwätzen)
bald im Staate durchzudrücken,
ihn in Teilen zu ersetzen!
Deutsche Universitäten,
fern von Humboldts Idealen,
platzen längst aus allen Nähten
und der Staat kann’s kaum bezahlen.
Denn ums Finanzieren
ist es schlecht bestellt;
besseres Studieren
bieten wir für Geld!

Füllt die Lücken,
die da klaffen,
dass wir’s schaffen
(statt zu schwätzen)
bald im Staate durchzudrücken,
ihn in Teilen zu ersetzen!

Wenn wir bald als Bildungsquellen
kostenlose Arbeitsblätter
Lehrern zur Verfügung stellen,
gelten wir schon bald als Retter
für die leeren Kassen
und im Schulsystem
glaubt man: Wir befassen
uns mit dem Problem!

Füllt die Lücken,
füllt die Löcher,
noch und nöcher
mit Int’ressen!
Schüler soll’n aus freien Stücken
alles, was wir bieten, fressen!

Dazu muss es heut gelingen,
in den Bildungsunterlagen
unsre Werbung einzubringen
für die Lehrer und die Blagen!
Das ist viel subtiler
als man’s von uns kennt.
Jeder dieser Schüler
ist ein Konsument!

Lerne, lerne,
blöder Haufen,
denn zum Kaufen
braucht es Deppen,
die nicht zögern und die gerne
jeden Schrott nach Hause schleppen!

Sind wir Geister erst gerufen,
wollen wir für immer bleiben,
und die Mächte, die uns schufen,
werden uns wohl kaum vertreiben.
Ist sein Geld verflossen,
braucht uns dieser Staat –
lächelnd und entschlossen
schreiten wir zur Tat:

Alle Lücken,
die wir finden
und ergründen
woll’n wir füllen,
und es wird uns stets beglücken,
lebt man dann nach unserm Willen!

Michael Feindler 2012