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Kategorie: Lieder

Jahrgang 1989

Liedtext

Wir wurden geboren als die Mauer fiel,
der kalte Krieg schmolz grad dahin.
Ein einziges Deutschland, hieß das neue Ziel,
und wir standen mittendrin.
Unsre Kindheit begann in den 90er Jahren,
wir genossen es im Großen und Ganzen.
Wir konnten unser Taschengeld in D-Mark sparen
und dachten noch nicht dran uns fortzupflanzen.
Die Hauptstadt hieß jetzt statt Bonn Berlin,
wir lernten das nicht anders kennen,
wir steckten voll mit Ernergien,
wir konnten nur keine Quelle benennen.
Man sagte uns: „Versprechen müsst Ihr halten.“
Das bewies uns allen Helmut Kohl.
Auch wir wollten später Gelder verwalten
und fühlten uns dank Werbung wohl.

Wir lernten früh den Nutzen der Ellenbogen,
um nicht arbeitslos zu enden.
Wir waren lieber selbstbezogen,
als Mitglieder in Verbänden.
Essensbewusster wurden wir
durch Dioxin und BSE,
den Klimawandel erklärte uns hier
ein gewisser Al Gore aus Übersee.
Wir erlebten das Ende der Sicherheit,
als der Terror New York erreichte.
Wir waren noch Kinder, als die neue Zeit
die idyllischen Träume verscheuchte.
Dennoch hatten wir nie mit einem Krieg zu tun,
zumindest hatten wir nie das Gefühl.
Fast zu Lebzeiten könnten wir in Frieden ruh’n,
blieb Gewalt ein Computerspiel.

Wir suchten Erfolg bei RTL
und diversen Casting-Shows,
Wir dachten, so würden wir besonders schnell
berühmt und richtig groß.
Elektronisch warn wir stets auf dem neu’sten Stand,
wir lebten online und global,
Infos strömten vorbei am Bildschirmrand,
wir waren international.
Das Internet wurde zum Lebensraum,
da war jeden Moment was los:
ob bei Ebay der moderne Shopping-Traum
oder Youtube-Videos.
Über Facebook, Twitter und StudiVZ
schickten wir uns sinnlose Zeilen.
Wir machten damit das Bedürfnis wett,
uns ständig mitzuteilen.

Wir wurden geboren als die Mauer fiel,
der Kalte Krieg schmolz grad dahin.
Wir haben die Selbsterhaltung als Ziel
und vielleicht ein bisschen Gewinn.
Wir sind die vernetzte Generation,
sich zu treffen kann kaum leichter sein.
Doch trotz ständiger Kommunikation
fühlen wir uns häufig allein.
Vieles strömt auf uns ein, wir wollen alles versteh’n,
doch nicht alles ergibt einen Sinn.
Wir laufen, wir rennen, wir stoppen, wir geh’n,
wir wissen nur noch nicht, wohin.

Michael Feindler 2009

Die Welt der tausend Möglichkeiten

Liedtext

Für Versand und Ihre Ware zahle ich bestimmt kein Geld,
was Sie mir geliefert haben, hab ich sicher nicht bestellt.
Ja, okay, das ist was andres – aber nur zum Probeliegen.
Brauch ich’s nicht, dann können Sie das Exemplar gleich wiederkriegen.
Das Letzte war mir auf die Dauer leider viel zu laut,
und abgeseh’n vom guten Look hat’s nicht so viel gekonnt.
Deshalb hab ich mich noch mal ausführlich umgeschaut.
Gäb es das Gesamtpaket eventuell in blond?

Willkommen in der Welt der tausend Möglichkeiten,
facettenreich und turbulent, mit weißen und mit bunten Seiten.
Wer träumt heute nur noch von der Variante A,
sind die Varianten B bis Z noch da?
Willkommen in der Welt, in der Du alles werden kannst,
solang Du in Bewegung bleibst und zwischen allem tanzt,
was sich bietet und ereignet, hier und jetzt, bei jedem Schritt
und wenn’s Dich überzeugt hat – nimm es mit!

Unser Urlaub war vom Anfang bis zum Ende gut gefüllt,
denn in Griechenland gibt’s mehr zu sehn als jedes Jahr auf Sylt.
Man hatte uns im Vorfeld viele Städte dort empfohlen,
wir waren überall, doch konnten wir uns kaum erholen.
Den nächsten Urlaub haben wir natürlich schon gebucht:
Wir starten in Marokko und fahren bis Loch Ness,
den Flug nach Peking hab ich gestern auch noch rausgesucht –
das würde sicher schön, wär da nicht der ganze Stress.

Willkommen in der Welt der tausend Möglichkeiten …

Welches Fach soll ich studieren und was wär beruflich klug
und was könnte mir gefallen und wo lerne ich genug?
Die Entscheidung hab ich schließlich vor dem Hintergrund getroffen:
Mit Wirtschaft halt ich mir noch möglichst viele Wege offen.
Denn mein größter Gegner war immer schon die Zeit,
in der man weitaus mehr als selbige verliert:
Mit jedem meiner Wege, für den ich mich entscheid’,
werden andre Wege auf ewig ausradiert.

Willkommen in der Welt der tausend Möglichkeiten
mit nur einer Gegenwart und verlorenen Vergangenheiten,
die vor ein paar Tagen oder auch vor ein paar Jahr’n
eine Überlegung für die Zukunft war’n.
Willkommen in der Welt, in der Du vieles kurz erfasst
und in der Du alle paar Minuten was verpasst.
Und immer, wenn Du fragst, was das Beste für Dich sei,
ist der Moment, den Du suchst, schon vorbei.

Michael Feindler 2012

Ausflug ins Atomkraftwerk

Liedtext

Herr Walter war Lehrer für Chemie und Physik
und verkündete seiner Klasse erfreut:
„Kinder, was habt Ihr für ein Glück:
Wir machen einen Ausflug heut!
Ein Schüler rief laut: „Das wird ein Knaller!“
und wenig später saßen sie im Bus
nach Brunsbüttel und zur Freude aller
war dieses fröhliche Lied ein Muss:

Steigt ein, steigt ein, jetzt geht es los,
durch die Straßen, übern Berg.
Hey, da ist die Freude groß,
wir fahren ins Atomkraftwerk!

Das Gebäude war von außen halb zerfallen,
als wär’s vom Aussterben bedroht.
Die historische Fassade gefiel gleich allen,
auf einem Schild stand: „Rauchverbot“.
Dennoch war die Besichtigung top,
denn die Schüler fanden in der Tat
in einem kleinen Souvenir-Shop
noch Brennstäbe im Mini-Format.

Steigt ein, steigt ein …

Die Kinder liefen fröhlich über das Gelände,
ein Abenteuerspielplatz bot sich hier.
Sie erklommen hohe, beschmierte Wände,
in diesem Energie-Revier.
Ein paar Jungs gingen schwimmen am nahen See,
das Wasser am Kraftwerk war angenehm warm.
Peters Asthma war danach passé
und Felix wuchs ein dritter Arm.

Steigt ein, steigt ein …

Seit diesem Ausflug weht ein völlig neuer Wind.
Begeistert erzählt davon noch heute jedes Kind.
Du musst mit deinen Kleinen also nur ins Kraftwerk geh’n,
um sie – wie sonst selten – so strahlend zu seh’n,
weshalb man auf den Demos vor jedem Kraftwerk liest:
„Denkt an unsre Kinder, bevor ihr alle schließt!“

Michael Feindler 2010

Die Hand

Liedtext

Guten Tag, Herr Intendant, ich bedanke mich für die Ehre,
dass ich über Sie berichten darf!
Und dann aus diesem Anlass – zur heutigen Premiere!
Da komm ich gerne! Auch mit Fotograf!
Ja, wie Sie schon sagten: Der Abend wird recht lang,
denn später wird mit allen angestoßen
mit äußerst edlem Alkohol bei einem Sektempfang,
Sie zählen schließlich zu den wirklich Großen!
Und machen Sie sich bitte keine Sorgen
bezüglich der Premieren-Rezension.
Der Text erscheint dann gleich am Montagmorgen,
gewiss mit sehr viel Lob im besten Ton.

Denn:
Die Hand, die einen füttert, beißt man nicht,
sonst verschluckt man sich daran.
Außerdem weiß ich, dass mir diese Hand
den Weg nach oben weisen kann.
Die Hand, die einen füttert, beißt man nicht,
weil man sonst daran erstickt.
Und deshalb ist es stets gesünder,
wenn man freundlich nickt.

Guten Abend, Herr Minister! Ich bin ehrlich hocherfreut,
dass wir uns mal endlich wiederseh’n!
Bei diesem Wirtschaftsgipfel genieß ich hier und heut
zwischen hohen Tieren rumzusteh’n.
Auf solche Treffen kann ich auch in Zukunft nicht verzichten,
ich mag es, als Reporter exklusiv
aus nächster Nähe und nicht bloß von Ferne zu berichten,
mein Chef bewertet das sehr positiv!
Sie fragen mich, woran ich grade schreibe?
Ach, wissen Sie, das ist doch völlig gleich –
solange ich in diesen Kreisen bleibe,
schreibe ich als einer von Euch!

Denn:
Die Hand, die einen füttert …

Ich wirke manchmal abgehoben oder elitär,
doch weiß ich auch, wie dumm Distanz für mich beruflich wär.
Und nur mit dem direkten Draht – unter anderm nach Berlin –
kann ich alles, was passiert, wirklich nachvollzieh’n.
Ganz egal, worüber ich bis heute schrieb
und wohin mich mein Beruf auch trieb –
überall hatten mich die Leute lieb,
denn ich folgte dem Prinzip:

Die Hand, die einen füttert, beißt man nicht,
sonst verschluckt man sich daran.
Außerdem weiß ich, dass mir diese Hand
den Weg nach oben weisen kann.
Die Hand, die einen füttert, beißt man nicht,
sonst wird die Luft noch knapp.
Und wenn die Hand mir nützen soll,
lecke ich sie lieber ab!

Michael Feindler 2013

Vom Suchen und Finden der Mitte

Liedtext

Du willst mit Dir im Reinen sein und Dich nicht länger binden,
denn Du hast Dich auf den Weg gemacht, um Dich selbst zu finden.
Jetzt möchtest Du in irgend so ein Dorf in Hinterindien reisen,
um dort Tag und Nacht ausschließlich um Dich selbst zu kreisen.

Du konzentrierst Dich jetzt auf Dich, begründest das ausführlich:
„Das ist nicht egozentrisch, sondern nur natürlich,
denn bekanntlich dreht sich um die Sonne unser Erdenreich,
ein Mensch, der in sich ruht, verkörpert beides zugleich.“

Das heißt in andern Worten, mein Erdenschatz und Sonnenschein,
Du würdest nie behaupten, der Mittelpunkt der Welt zu sein –
zumindest nicht der ganzen, denn Deine kleine Welt
besteht ja nur aus Dir, so hast Du’s Dir zurechtgestellt.

Doch apropos Mittelpunkt, Du weißt ja gar nicht wo der ist,
Du suchst seit Neustem Deine Mitte, hast sie lange schon vermisst.
Ich find, Du solltest langsam mal den Flug nach Indien buchen,
da kannst Du fern von mir Deinen Kram zusammensuchen.

Das fandest Du wohl auch, denn kaum hatt’ ich’s ausgesprochen,
war’n Deine Sachen schon gepackt und Du bist aufgebrochen
und machtest Dich auf jenen Weg, der Dich zu Dir selber führe,
schriebst mir eine Karte: „Es ist toll, wie ich mich spüre …“

„Gespürt hast Du Dich sicher“ – das war es, was ich dachte,
als man mir acht Wochen später diese Nachricht überbrachte:
Du sei’st glatt erstochen worden, als Du meditiertest
und Dich grad entspannt auf Deine Mitte konzentriertest.

Der Täter war ein Bauer, der war völlig ausgerastet,
ihn hatten Schulden wegen seines Maisfelds überlastet,
deshalb war er mit dem Drang nach Rache losgezogen
und westlichen Gesichtern ohnehin schon schlecht gewogen.

Doch Du bist Dir bis zu Deinem Ende treu geblieben,
zumindest hat ein Zeuge das später so beschrieben:
Du konntest den verrückten Mörder zwar schon nahen hören,
aber sprachst: „Ich lasse mich von Äußerem nicht stören.“

Die andern sind gefloh’n und Dich hat nichts aus der Ruh gebracht,
der Bauer hat dann kurz darauf Frikassee aus Dir gemacht.
Fast bis zur Unkenntlichkeit warst Du danach verschwunden,
doch später hat man immerhin Deine Mitte noch gefunden.