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Kategorie: Monatsgedichte

Die Befreiung

Schon lange vor den Online-Foren
war unsre Menschheit kaum zu retten:
Ein jeder Mensch wird frei geboren
und liegt doch überall in Ketten.

Obwohl die Philosophen dies
bereits vor langer Zeit so sah’n,
geht’s vielen Leuten heut noch mies –
als hätt’ sich einfach nichts getan.

Die Menschen stehen unter Druck,
sind angespannt, gestresst, gehetzt.
Und wirken Ketten auch wie Schmuck,
sie bleiben Ketten bis zuletzt.

Doch soll sich endlich etwas ändern,
dann schauen wir nicht länger zu
und schließen Pakte zwischen Ländern
von Kanada bis zur EU.

Am Anfang einer neuen Zeit
steht erstmal freier Handel an:
Der Markt wird morgen schon befreit,
die ganze Menschheit folgt ihm dann.

Kritik ist scheinbar angebracht,
doch ist sie unterm Strich egal:
Denn liegt beim freien Markt die Macht,
so liegt bei ihm auch die Moral.

Befrei’n wir uns von jener Last,
uns demokratisch zu entscheiden!
Wer wählt, weiß nicht, ob’s später passt –
die Wahl zu haben, heißt: zu leiden.

So werden wir die Welt verwandeln.
Nicht überstürzt – nein, Schritt für Schritt.
Wir werden endlich freier handeln
und für die Wettbewerbe fit.

Und stellt sich irgendjemand quer
und unsern Zielen gar ein Bein,
bedenke und erkenne er:
Wir werden uns von ihm befrei’n!

Michael Feindler 2014

Konfliktlösung

Im mittleren und nahen Osten
gibt’s leider viel zu viele Pfosten
und Irre, die sich gehen lassen
und unsern schönen Westen hassen.

Die Menschen schießen, metzeln, morden,
allein, in Gruppen oder Horden,
und machen jeden Gegner platt,
der etwas zu entgegnen hat.

So gibt es dort seit Jahren Streit
und äußerst selten Dankbarkeit
für unsre Hilfe aus dem Westen.
Im Ganzen steht es nicht zum Besten.

Und weil sich die Gewalt nicht schickt,
versucht man lang schon den Konflikt –
vergeblich angesichts des Bösen –
mit allem, was man kennt, zu lösen.

Doch, wie man neuerdings verspricht,
ist eine Lösung jetzt in Sicht:
Man werde eine Menge Waffen,
die übrig sind, gen Osten schaffen!

Bald soll’n Gewehre und Granaten
in viele Hände dort geraten –
nur so gelingt es schließlich allen,
sich gegenseitig abzuknallen.

Denn wenn wir einmal ehrlich sind,
steht fest: Den Ost-Konflikt gewinnt
doch niemand mehr, drum ist es besser,
wir liefern alle dort ans Messer.

(Das „Messer“ ist hier nur ein Bild,
genauer wäre wohl: Man killt
zumeist in jener Ostregion
mit Sturmgewehr und Munition.)

Und ist das Waffenwerk vollbracht,
bleibt nur noch einer an der Macht
und hat den Kampf für sich entschieden:
der jahrelang ersehnte Frieden.

Michael Feindler 2014

Was für ein Sommer!

Wer meint, dass diese Verse hier
mit etwas Int’ressantem starten,
der sollte nicht zu viel erwarten,
denn alles, was hier steht, ist schier

ein inhaltsloser Lückenfüller,
gewürzt mit Rhythmus, Reim und Klang.
Doch ist das weder von Belang,
noch ansatzweise gar ein Knüller.

Die Zeilen dümpeln vor sich hin,
mit Worten voll, an Inhalt leer,
als ob das kaum verwerflich wär –
man sucht vergeblich nach dem Sinn.

Zuletzt erahnen wir jedoch
den Grund für diesen öden Stil:
Der Inhalt des Gedichtes fiel
ins altbekannte Sommerloch.

Michael Feindler 2014

Finale

Das Stadion war bis zum Rand gefüllt,
gespannt saß jeder Fan auf seinem Sitz,
als zweiundzwanzig Spieler festen Schritts
den Platz betraten – ein vertrautes Bild.

Die Fußballprofis schauten ernst nach oben
und fuhren mit den Blicken durch die Ränge.
Und nach und nach verstummten Fan-Gesänge,
die sich sonst regelmäßig laut erhoben.

Die Menschen fühlten sich zunächst gehemmt,
doch konnten sich der Stimmung nicht entziehen.
Die Instrumente, die die Hymnen-Melodien
erklingen ließen, wirkten plötzlich fremd.

Und keiner sang – schon gar nicht von „Nation“ –
und niemand führte Richtung Herz die Hand.
Die eine Mannschaft wie die andre stand
nur da, sie sprachen keinen Ton.

Dann setzten sich die Spieler, weiter wortlos,
entschlossen auf den frisch gemähten Rasen,
als wäre dieser Wettkampf abgeblasen
und unter ihnen nicht die Lust am Sport groß.

Ihr Schweigen füllte bald das Stadion,
denn nach und nach verstummte auch das Raunen
der Fans. Man konnte wirklich nur noch staunen
und alle waren wie gelähmt davon,

dass niemand auf dem Platze Fußball spielte.
An diesem höchst bemerkenswerten Tag
die Mannschaft einfach auszupfeifen, lag
den Menschen völlig fern, weil jeder fühlte:

Hier ging’s um mehr als bloß ein Fußballspiel.
Um was genau? Das würde sich noch zeigen.
Zumindest glaubte man, das lange Schweigen
wär sicher nicht das eigentliche Ziel.

Nach anderthalb geschlag’nen stillen Stunden,
erhob sich dann ein Spieler auf dem Platz,
durchbrach das Schweigen endlich mit dem Satz:
„Wir danken Euch und fühl’n uns Euch verbunden!“

Ein anderer (vom gegnerischen Team)
erhob sich ebenfalls und sagte laut:
„Wir haben Euch schon immer mehr getraut
als jenem unbarmherzigen Regime,

das große Stadien mit Blut errichtet,
das ganze Staaten in die Ecke drängt,
das die Gesetzeslage stark verengt,
das Menschlichkeit für den Kommerz vernichtet.

Und deshalb rufen wir Euch dazu auf,
mit uns das einzig Richtige zu wagen,
und diese FIFA endlich zu zerschlagen!
Wir nahmen sie schon viel zu lang in Kauf.

Denn erst, wenn dieser Kampf gewonnen ist,
führ’n wir die Kämpfe auf dem Rasen fort.
Der Tod der FIFA heißt: Es lebt der Sport!
Vermutlich ist korrupt, wer das vergisst!

Wir wollen mit Euch allen aufbegehren,
um ohne den bestehenden Verband
schon möglichst bald in jedem Fußball-Land
zu einem fairen Spiel zurückzukehren.“

Was dann geschah, ist leider nicht bekannt.

Michael Feindler 2014

Vom kleinen Bären und dem großen Tiger

Ein Tiger sprach zu einem Bären:
„Ich sollte längst von Dir verlangen,
noch heute damit anzufangen,
dich vegetarisch zu ernähren!“

Den Bären überraschte das.
Er meinte, bei den Hauptgerichten
auf Fleisch und Fische zu verzichten,
das sei ihm irgendwie zu krass.

Und außerdem sei’s ungerecht,
wenn er als Bär verzichten müsse,
zugleich jedoch sehr sicher wisse,
der Tiger gegenüber dächt

noch nicht einmal im Traum daran,
das Gleiche selber anzustreben
und Fleischkonsum heut aufzugeben.
Was maße der sich bitte an?

Zur Antwort wurde jener Bär
vom Tiger einfach totgeschlagen.
Der fraß ihn auf. Was bleibt zu sagen?
Das Leben ist nicht immer fair.

Michael Feindler 2014

Deutsche Verantwortung

Kinder laufen durch die Straßen,
Jubel eilt bereits voraus,
Menschen schau’n gespannt hinaus,
wenn sie zwischendurch vergaßen,

was der Grund der Jubelschreier
für die ganze Freude ist.
Alle haben das vermisst:
Endlich kommen die Befreier!

Alte, junge Menschen wollen
an den Straßenrändern steh’n,
um gemeinsam zuzuseh’n,
wie die deutschen Panzer rollen!

Oh, wie schauen sie gespannt!
Seht, da kommt in voller Fahrt
der berühmte Leopard –
stark, robust und elegant!

Deutsche Männer, deutsche Frauen
halten mit der Technik schritt.
Deutsche bringen Kräfte mit,
um das Land hier aufzubauen.

Das bedeutet bess’res Leben,
Freiheit und Gerechtigkeit.
Dafür ist man gern bereit,
manchen Rohstoff abzugeben.

Fließt in diesem Krieg auch Blut,
bleibt die Hoffnung überall:
Stille folgt auf diesen Knall,
irgendwann wird alles gut.

Denn mit Deutschen – welch ein Glück! –
fällt das Kämpfen nicht so schwer:
Dank der deutschen Bundeswehr
kehrt der Spaß am Krieg zurück!

Michael Feindler 2014

Der Emigrant

Das Schmunzeln kann er sich nur schwer verkneifen,
wenn Deutsche sich dazu verleiten lassen
ein altes Stammtisch-Thema aufzugreifen
und Texte über Armutsmigration verfassen.

Natürlich tun ihm die Migranten leid.
Es freut ihn dennoch, wenn er davon liest
und dadurch weiß, dass sich in nächster Zeit
der Zorn gewiss nicht über ihn ergießt.

So lehnt er sich zurück und bleibt entspannt,
aus der Erfahrung weiß er ja bereits:
Die Reichtumsmigration wird kaum erkannt.
Wie schön ist doch ein Konto in der Schweiz!

Michael Feindler 2014

Große Weihnachtsgefühle

Das Jahr ist leider unablässig
in weiten Teilen ziemlich stressig,
weshalb sich alles weit und breit
auf eines freut: die Weihnachtszeit.

Was hat man doch zurückgesteckt,
wie häufig hielt man sich bedeckt,
was hat man alles doch geschickt
bis zum Dezember unterdrückt!

Und nun – das Jahr ist bald vorbei,
die meisten Menschen haben frei
und können endlich mal genießen,
was sie ein Jahr lang liegen ließen.

Denn vieles ist zu kurz gekommen:
Zum Beispiel hat man sich benommen
an Orten, wo man mehr und mehr
zu gerne ausgerastet wär.

So mancher hätt sich fast geprügelt
und hat sich schließlich doch gezügelt
und trug ein Lächeln durch das Jahr,
obwohl ihm oft zum Kotzen war.

Zwar kann es wochenlang gelingen,
sich selbst zur Höflichkeit zu zwingen,
doch hält das niemand ewig aus
und eines Tages platzt es raus.

Und kaum ertönt das „Stille Nacht“,
hat’s irgendwo bereits gekracht,
denn alles, was sich angestaut,
wird jetzt zur Weihnacht abgebaut!

Da hat man Muße, Zeit und Ruh
und kommt nun endlich mal dazu,
zu teilen, was man in sich trägt,
indem man allerlei zerlegt.

Verwandte länger zu verschonen,
erscheint bei allen Aggressionen,
die da sind, wenig angebracht,
trotz viel zitierter „stiller Nacht“.

Im Gegenteil: Es trifft sich gut,
dass diese angestaute Wut
ein Ziel (das man „Verwandtschaft“ nennt)
für jede Art Entladung kennt.

Denn für die Zukunft heißt das auch:
der heilige Dezember-Brauch
bleibt Fläche für die Projektion
von unterdrückter Aggression

und fängt auf diese Weise auf,
was sonst in jedem Lebenslauf
mit Sicherheit zur Folge hätt:
Die Menschen wär’n noch selt’ner nett.

Wer immer sich am Weihnachtsfest
(und sonst nur selten) gehen lässt,
der hat, obwohl man kaum dran denkt,
sein Umfeld damit reich beschenkt.

Am Ende bleibt ja stets zu hoffen:
Wenn Menschen sich am Festtag zoffen,
wird dieser Streit demnächst vermieden.
So bringt die Weihnachtszeit den Frieden!

Michael Feindler 2013

Der Abhörskandal

Geheimdienst A hat ungestört
Regierung B oft abhört
und ungeniert viel spioniert.
Ganz ähnlich hat Geheimdienst B
Regierung A aus Übersee
sehr int’ressiert oft nachgespürt.

Doch B bekommt auf einmal raus:
„Die andern spionier’n uns aus
als gäb’s hier lauter Terrorzellen!“
Die Presse reagiert empört
und schreibt, das sei ja unerhört
und unverzüglich einzustellen!

Geheimdienst A bleibt recht gelassen
und meint: „Das könnte Euch so passen!
Wir stellen erst mal gar nichts ein.“
Die Forderung sei allerhand,
bei A sei sei nämlich längst bekannt:
Dort hört Geheimdienst B gern rein.

Regierung C – ein Nachbar A’s –
hat an der Sache sichtlich Spaß
und meint, es würde naheliegen,
auf Spionage zu verzichten
und lieber offen zu berichten,
anstatt sich lauschend zu bekriegen.

Der Vorschlag ist als Scherz gemeint –
doch A und B sind schnell vereint:
Die Abhhörspielchen hören auf.
So wird sich zügig aufgerafft,
Geheimdienst A wird abgeschafft,
Geheimdienst B folgt gleich darauf.

Das eigentliche Argument
für diesen raschen Umschwung nennt
nach all den Spionage-Jahren
erst A, dann B im Interview:
„Wir geben es ja beide zu:
Wir müssen dringend Gelder sparen!“

Michael Feindler 2013

Marie Antoinettes Nachfahren und der Spitzensteuersatz

„Oh nein, jetzt will der Staat ja noch mehr Geld“,
so gehen Rufe durch das ganze Land.
Das Bild ist in die Köpfe eingebrannt,
wie unser Staat die Bürger überfällt.

Er plündert, wo er kann, und hinterlässt
nur eine Schneise der Verwüstung überall.
Den Mittelständischen bleibt – klarer Fall –
vom Kuchen bloß der kleine Krümelrest.

Fast meint man, jene Bürger litten Not,
die aus dem Mittelstand heraus laut fluchen:
„Wir brauchen ein viel größ’res Stück vom Kuchen,
weil sonst der Fall ins Tortenlose droht!“

Sie sind verwirrt, ertönt ein Ruf nach Brot.

Michael Feindler 2013