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Nachmittagsfernsehen

Mittwochnachmittags um dreie
gellen unverschämte Schreie
aus der Wohnung über mir.
O-Ton: „Halt die Fresse, Schlampe,
scher Dich nicht um meine Wampe,
hol ma’ lieber neues Bier!“

An den Lärm, der runter dröhnt,
hab ich mich schon längst gewöhnt
und ich hab ein dickes Fell.
Wenn ich jenen Klängen lausch,
weiß ich: Jetzt läuft Frauentausch
viel zu laut auf RTL.

Folglich frag ich mich: Was nun?
Und: Was soll ich bitte tun,
um die Laune hochzuhalten?
Meist ergibt sich, wo ich wohn,
meinerseits die Reaktion,
selbst den Fernseh’r einzuschalten.

Dann wird nachmittags geglotzt,
wie ein Schnurrbartträger motzt
(meist mit Kevin und Chantal).
Fleisch sei voll mit Vitamin,
meint die lispelnde Nadine,
und Salat sei nicht ihr Fall.

Ein Empfänger von Hartz IV
zeigt, dass ein Blatt Klopapier
pro Toilettengang genügt.
Fällt auch das Niveau ins Tal,
steigt der Spaß proportional
und die Fernsehzeit verfliegt.

Doch ein Spaß erfreut noch mehr,
schickt man diesen hin und her –
meist als Youtube-Link im Netz.
Denn die allergrößten Lacher
werden erst geteilt zum Kracher –
das ist menschliches Gesetz!

Und so schauen wir in Massen
etwas, das wir schwerlich fassen
und was furchtbar blöd erscheint.
Aber alle lachen herzhaft
und wir fragen manchmal scherzhaft:
„Ist das wirklich ernst gemeint?“

Viele meinen zu verstehen,
wenn wir diese Grütze sehen,
welcher Sinn dahinter steckt.
Nämlich: Lasst uns Scheiße fressen,
um nicht ständig zu vergessen,
dass Gemüse besser schmeckt!

Wenn wir aber ehrlich wären,
würden wir uns selbst erklären,
dass wir uns den Spaß kaum gönnten,
machte Scheiße nicht bewusst,
dass wir uns – trotz allem Frust –
das Gemüse leisten könnten.

Anmerkung:
Um dich gut zu fühl’n im Leben
und dich grinsend zu erheben,
muss es unter dir was geben,
denn dann kannst du drüber schweben.

Michael Feindler 2012

Published inBildungDumm nickt gutGedichteKabarettprogramme

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