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Kategorie: Gedichte

Deutscher Stolz

Ein Deutscher sprach mit stolz geschwellter Brust:
„Wir tragen täglich kiloweise Kohlen!
Wir haben viel geforscht und viel gewusst
und auch geschafft, den Oscar uns zu holen!

Von uns stammt Chemisches wie Aspirin,
wir haben erste Autos hier gebaut,
entdeckten Neues in der Medizin…
Ach, vieles hat sich bei uns angestaut!

Ein Komponist wie Bach schuf hier sein Werk,
wir pflegen seit Jahrhunderten Kultur;
die Zugspitz’ ist ein wahrlich hoher Berg
und Goethe hinterließ hier seine Spur.

Nicht zu vergessen sind Papst Benedikt
und Martin Luther – beides deutsche Männer!
Und Fußballsiege sind uns oft geglückt
und Deutsche sind beim Stichwort Bier die Kenner.

Wir hatten Nietzsche, Schopenhauer, Kant,
Marlene Dietrich und den Götz George,
wir tragen dieses wunderbare Land
und für die großen Dinge auch die Sorge.“

All das erzählte jener Deutsche lang,
er sprach von „wir“ und fühlte sich als Held,
sobald ein Landsmann einen Sieg errang.
Nur eins verschwieg der Deutsche vor der Welt:

Er selbst war beim Finanzamt angestellt.

Michael Feindler 2006

Der PS-König

(frei nach einem bekannten Gedicht von J. W. Goethe)

Wer rast noch so spät durch Nacht und Winde?
Es ist Kurt-Kevin mit seiner Sieglinde.
Er hält das Lenkrad gar fest in den Händen,
der Porsche saust fort und die Fahrt will nicht enden.

„Sieglinde, was birgst du so bang dein Gesicht?“
„Kurt-Kevin, ach siehst du den Blitzer denn nicht?
Den Blitzer – und schau: Hier ist 30er-Zone!“
„Das interessiert mich, mein Schatz, nicht die Bohne.“

Er hat für Bedenken im Hirn keinen Platz,
für ihn ist die Fahrt ein Orgasmus-Ersatz.
Vielmehr noch: Er fühlt sich im Rasen bestärkt,
doch bald wird der Porsche von Dritten bemerkt.

„Kurt-Kevin, Kurt-Kevin, und hörest du nicht:
Sirenen ertönen mit hellblauem Licht!“
„Beruhige dich endlich, oh hübsche Sieglinde,
wir kümmern uns nicht um das Bullen-Gesinde!“

Kurt-Kevin bleibt cool und er äußert vulgär:
„Der Wagen gibt viel – nur mein Schwanz gibt noch mehr!“
Zwar ist’s (unter uns) eine faustdicke Lüge,
doch stecken im Irren stets menschliche Züge.

Es geht immer weiter, sie rasen im Nu
auf einen niedrigen Tunnelbau zu.
Sieglinde mit kreischender Stimme jetzt spricht:
„Kurt-Kevin, das passt von der Höhe her nicht!“

Die Decke des Tunnels den Ausruf beweist,
indem sie das Dach von dem Porsche nun reißt.
Kurt-Kevin jedoch weiß an Lob nicht zu sparen:
„Ich wollte schon immer ein Cabrio fahren.“

Dem Mädchen wird schlecht bei der Fahrt durch die Nacht,
denn ihr hat das Rasen nur wenig gebracht.
Sieglinde ist grün, doch die Ampel zeigt rot;
Kurt-Kevin folgt somit dem Hirn in den Tod.

Michael Feindler 2007