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Kategorie: Politik

Die Windsegler

Liedtext

Wir haben schon immer die Hebel der Macht
mit Worten verteidigt, mit Waffen bewacht.
Wir haben den Text für Gesetze gesetzt
und haben berufliche Netze vernetzt.
Wir werden auf Einfluss und Macht nicht verzichten
und werden uns stets nach dem Wetterhahn richten –
denn wer in den Sturm eines Zeitlaufs gerät,
muss frühzeitig wissen, woher der Wind weht.

Drum würden wir gern auf den Winden segeln,
ganz gleich, wohin sie uns trügen.
Dann würden die Winde die Richtung regeln,
befreit von menschlichen Lügen.
Wir ließen uns fallen und ließen uns tragen,
ohne zur Seite zu schauen.
Wir müssten auch nicht nach der Zukunft fragen,
könnten wir allein
den Winden vertrauen.

Das Springen ersetzt uns den sicheren Stand,
so haben wir eines schon lange erkannt:
Bevor Du die Fahne in Deinem Takt schwenkst,
muss klar sein, in welchen Wind Du sie hängst.
Wir können nichts wissen, wir können bloß meinen,
was vormittags stimmt, lässt sich abends verneinen.
Doch wenn sich der Wind mit einem Mal dreht,
wechseln wir immer ein wenig zu spät.

Wir würden so gern auf den Winden segeln, …

Wer mächtig ist, wird von der Seite bedrängt,
sobald eine Fahne im falschen Wind hängt.
Wir schauen genau, wie die Wolken grad zieh’n,
denn unsere Macht ist vom Wind nur gelieh’n.
Doch könnten wir uns in das Wolkenmeer legen
und würden uns nur noch mit diesem bewegen,
dann änderten wir uns mit jedem Detail:
Der Geist wäre leicht, das Gewissen wär frei!

Drum würden wir gern auf den Winden segeln,
ganz gleich, wohin sie uns trügen.
Dann würden die Winde die Richtung regeln,
befreit von menschlichen Lügen.
Wir ließen uns fallen und ließen uns tragen,
abwartend, voller Geduld –
und sollten wir dann in der Höhe versagen,
wäre der Absturz nie
unsere Schuld.

Michael Feindler 2011

Wo ein Wille ist

Liedtext

Er hat vor langer Zeit bereits beschlossen:
Eines Tages wird zurückgeschossen!
Er kennt für seinen Kampf bereits das Ziel,
obwohl von dieser Seite kein Schuss fiel.
Das kann ihm seine Pläne nur erschweren:
denn um andern Kriege zu erklären,
sollte er den Angriff gut begründen,
doch blöderweise ist kein Grund zu finden.
Und just in dem Moment, als er es braucht,
ist beim Gegner etwas aufgetaucht:
Giftgas oder andre schlimme Waffen,
als Grund zum Angriff scheint das wie geschaffen!

Das liefert wieder einmal den Beleg:
Wo ein Wille ist, findet sich ein Weg.

Er hat als Unternehmer schon seit Jahren
Erfolge und Gewinne eingefahren.
und ähnlich lange stört ihn schon am Staat
der riesige Verwaltungsapparat.
Er meint, dass das den Bürgern wenig bringe,
stattdessen aber sehr viel Geld verschlinge.
Das Ganze habe schon so manchen Wert,
den er geschaffen habe, rasch verzehrt.
So hat er sich seit Jahren aufgeregt
und nun ein neues Konto angelegt –
der deutsche Staat zieht davon nichts mehr ein,
denn Steuern zahlt er jetzt in Liechtenstein.

Das zeigt mal wieder: ist ein Wille da,
sind die Wege Richtung Ziel besonders nah.

Der Fortschritt bricht sich technisch neue Bahnen,
die Zukunft lässt sich heute kaum erahnen:
Mit Internet und digitalem Fluss
ist bekanntlich lange noch nicht Schluss.
Im Gegenteil: Es wächst im großen Stil
und heute ist es längst ein Kinderspiel
zu speichern, was im Internet passiert
und was ein Mensch zur Zeit im Netz vollführt.
Wir wissen selbst, dass unsre Nutzerdaten
rein theoretisch einiges verraten –
man könnte uns ja sogar überwachen …
Wer soll sich aber diese Arbeit machen?

Doch fest steht, dass der Umkehrschluss auch gilt:
Wo ein Weg ist, ist auch irgendwer gewillt.

Michael Feindler 2013

Die Welt der tausend Möglichkeiten

Liedtext

Für Versand und Ihre Ware zahle ich bestimmt kein Geld,
was Sie mir geliefert haben, hab ich sicher nicht bestellt.
Ja, okay, das ist was andres – aber nur zum Probeliegen.
Brauch ich’s nicht, dann können Sie das Exemplar gleich wiederkriegen.
Das Letzte war mir auf die Dauer leider viel zu laut,
und abgeseh’n vom guten Look hat’s nicht so viel gekonnt.
Deshalb hab ich mich noch mal ausführlich umgeschaut.
Gäb es das Gesamtpaket eventuell in blond?

Willkommen in der Welt der tausend Möglichkeiten,
facettenreich und turbulent, mit weißen und mit bunten Seiten.
Wer träumt heute nur noch von der Variante A,
sind die Varianten B bis Z noch da?
Willkommen in der Welt, in der Du alles werden kannst,
solang Du in Bewegung bleibst und zwischen allem tanzt,
was sich bietet und ereignet, hier und jetzt, bei jedem Schritt
und wenn’s Dich überzeugt hat – nimm es mit!

Unser Urlaub war vom Anfang bis zum Ende gut gefüllt,
denn in Griechenland gibt’s mehr zu sehn als jedes Jahr auf Sylt.
Man hatte uns im Vorfeld viele Städte dort empfohlen,
wir waren überall, doch konnten wir uns kaum erholen.
Den nächsten Urlaub haben wir natürlich schon gebucht:
Wir starten in Marokko und fahren bis Loch Ness,
den Flug nach Peking hab ich gestern auch noch rausgesucht –
das würde sicher schön, wär da nicht der ganze Stress.

Willkommen in der Welt der tausend Möglichkeiten …

Welches Fach soll ich studieren und was wär beruflich klug
und was könnte mir gefallen und wo lerne ich genug?
Die Entscheidung hab ich schließlich vor dem Hintergrund getroffen:
Mit Wirtschaft halt ich mir noch möglichst viele Wege offen.
Denn mein größter Gegner war immer schon die Zeit,
in der man weitaus mehr als selbige verliert:
Mit jedem meiner Wege, für den ich mich entscheid’,
werden andre Wege auf ewig ausradiert.

Willkommen in der Welt der tausend Möglichkeiten
mit nur einer Gegenwart und verlorenen Vergangenheiten,
die vor ein paar Tagen oder auch vor ein paar Jahr’n
eine Überlegung für die Zukunft war’n.
Willkommen in der Welt, in der Du vieles kurz erfasst
und in der Du alle paar Minuten was verpasst.
Und immer, wenn Du fragst, was das Beste für Dich sei,
ist der Moment, den Du suchst, schon vorbei.

Michael Feindler 2012

Die Hand

Liedtext

Guten Tag, Herr Intendant, ich bedanke mich für die Ehre,
dass ich über Sie berichten darf!
Und dann aus diesem Anlass – zur heutigen Premiere!
Da komm ich gerne! Auch mit Fotograf!
Ja, wie Sie schon sagten: Der Abend wird recht lang,
denn später wird mit allen angestoßen
mit äußerst edlem Alkohol bei einem Sektempfang,
Sie zählen schließlich zu den wirklich Großen!
Und machen Sie sich bitte keine Sorgen
bezüglich der Premieren-Rezension.
Der Text erscheint dann gleich am Montagmorgen,
gewiss mit sehr viel Lob im besten Ton.

Denn:
Die Hand, die einen füttert, beißt man nicht,
sonst verschluckt man sich daran.
Außerdem weiß ich, dass mir diese Hand
den Weg nach oben weisen kann.
Die Hand, die einen füttert, beißt man nicht,
weil man sonst daran erstickt.
Und deshalb ist es stets gesünder,
wenn man freundlich nickt.

Guten Abend, Herr Minister! Ich bin ehrlich hocherfreut,
dass wir uns mal endlich wiederseh’n!
Bei diesem Wirtschaftsgipfel genieß ich hier und heut
zwischen hohen Tieren rumzusteh’n.
Auf solche Treffen kann ich auch in Zukunft nicht verzichten,
ich mag es, als Reporter exklusiv
aus nächster Nähe und nicht bloß von Ferne zu berichten,
mein Chef bewertet das sehr positiv!
Sie fragen mich, woran ich grade schreibe?
Ach, wissen Sie, das ist doch völlig gleich –
solange ich in diesen Kreisen bleibe,
schreibe ich als einer von Euch!

Denn:
Die Hand, die einen füttert …

Ich wirke manchmal abgehoben oder elitär,
doch weiß ich auch, wie dumm Distanz für mich beruflich wär.
Und nur mit dem direkten Draht – unter anderm nach Berlin –
kann ich alles, was passiert, wirklich nachvollzieh’n.
Ganz egal, worüber ich bis heute schrieb
und wohin mich mein Beruf auch trieb –
überall hatten mich die Leute lieb,
denn ich folgte dem Prinzip:

Die Hand, die einen füttert, beißt man nicht,
sonst verschluckt man sich daran.
Außerdem weiß ich, dass mir diese Hand
den Weg nach oben weisen kann.
Die Hand, die einen füttert, beißt man nicht,
sonst wird die Luft noch knapp.
Und wenn die Hand mir nützen soll,
lecke ich sie lieber ab!

Michael Feindler 2013

Technisches Unbehagen

Technik – speziell das Internet – schlägt Brücken. Zwischen Ländern. Zwischen Menschengruppen. Zwischen Personen, die gemeinsam etwas bewegen wollen. Das ist doch was. Wenn da nur nicht dieses Unbehagen wäre. Das Unbehagen, dass die Technik die Menschen mehr voneinander entfremdet als sie miteinander zu verbinden. Dass sie menschliche Nähe verhindert. Alles anonymer macht.
Ein Beispiel: Wenn ich heute als Geheimdienstmitarbeiter jemanden ausspionieren und abhören möchte, gibt es genügend Methoden, das zu tun, ohne dass ich persönlich in die Wohnung der betreffenden Person einsteigen muss. Vermutlich reichen schon ein paar Klicks und ich sehe das Wohnzimmer durch die Webcam. Oder das Schlafzimmer. Aber das ist doch nicht das Gleiche wie früher. Als man Wohnungen heimlich aufgebrochen hat, um Abhörkabel zu verlegen und Telefone zu verwanzen. Als man noch selber durch die fremden Zimmer schritt, den Duft eines geschmacklosen Parfums einatmete und beim Knarren der Dielen unter den eigenen Füßen kurz aufschreckte. Das hatte Spannung. Das war authentisch. Irgendwie persönlicher.
Ganz ähnlich ist das mit Kriegen. Man kennt noch die Geschichten von früher. Als man sich auf den Schlachtfeldern Auge in Auge gegenüberstand. Den Atem des Feindes hören und die eigene Furcht schmecken konnte. Auch das hatte immer etwas Persönliches, ja sogar Intimes. Wenn man wusste, dass das eigene Gesicht das letzte Gesicht sein konnte, das jemand sah, bevor man ihn erschoss. Dass sich dieser Mensch in dem Moment wahrscheinlich nach seinen Liebsten sehnte und dass der Blick in ein völlig fremdes Gesicht den Tod nicht ansatzweise mildern konnte – trotzdem teilten da zwei Menschen einen Moment miteinander.
Es gibt auch nicht mehr diese Extraportion Nervenkitzel, wie es sie früher gab, weil man nicht sicher sagen konnte, wer am Ende des Tages überleben würde. Heute weiß man, wer gewinnt: Der Drohnenpilot. Und der hört in seiner Position nicht einmal mehr die Schreie der Menschen, die er tötet. Er sieht nur die Pixel. Anonymer geht es kaum.
Aber es wäre falsch zu behaupten, die Technik würde alles anonymer machen. Sie ist nicht Schuld. Höchstens der aktuelle Stand der Technik – der ist Schuld. Denn auf der ganzen Welt arbeiten Menschen an besseren Sensoren, Kameras, Mikrofonen und Lautsprechern. Und vielleicht wird man eines Tages, wenn man eine Wohnung überwacht, ab und zu die Bodendielen knarren hören, als hätte man sie gerade selbst betreten. Und vielleicht wird der Moment kommen, in dem ein Drohnenpilot direkt in schreckensgeweiteten Augen in 3D und HD-Qualität blickt, während er den Abschussknopf betätigt. Und womöglich wird er dabei ein Gefühl von Verbundenheit und Nähe spüren, das nicht technisch, sondern rein menschlich ist.

Michael Feindler 2014

Verschwendung

Europa, was für eine Schande!
Es ist doch nicht mit anzusehen,
wie Flüchtlingsboote hier am Rande
des Kontinentes untergehen.

Zu helfen, wäre längst geboten!
Es wäre nämlich schlicht verkehrt
zu sagen, viele dieser Toten
wär’n lebend ebenfalls nichts wert.

Erst recht aus Unternehmersicht
sind diese Opfer nur Verschwendung!
Die Rettung wäre daher Pflicht:
Wir haben ganz gewiss Verwendung

für jene, die befürchten müssen,
sie würden auf dem Meer begraben.
Die werden uns die Füße küssen,
sobald wir sie gerettet haben!

Es wäre damit viel gewonnen,
wie jeder sich schon denken kann:
Denn wer dem Tode grad entronnen,
nimmt jede Art von Arbeit an.

Dann könnten wir den Beinah-Leichen
die schlimmsten Niedriglöhne zahlen.
Es würde ihnen trotzdem reichen,
vermutlich würden sie noch strahlen,

aufgrund des Glückes, hier zu sein.
Europa würde dadurch schöner
und ließe Flüchtlinge herein
als lebensfrohe Billiglöhner.

Michael Feindler 2014

Schutzvorkehrungen

Bekanntlich ist man stets bemüht,
für Sicherheit im Land zu sorgen.
Wenn Terror aber erst mal blüht,
erwischt es uns vielleicht schon morgen.

Man rechnet einfach nicht damit
und plötzlich hat man den Salat:
Die falsche Zeit, ein falscher Schritt,
und – Bumm! – ein Selbstmordattentat.

Ich seh nicht ein, das hinzunehmen,
und stell mich, wo ich leb und wohne,
der Grundgefahr mitsamt Problemen
und bau mir heute eine Drohne!

Natürlich schaff ich keine an,
die ab und zu auf Ziele schießt
und somit Menschen töten kann,
wovon man hin und wieder liest.

Nein, nein, das ginge mir zur weit.
Ich will mich nicht bewaffnet wehren.
Mir reicht es schon, von Zeit zu Zeit
mit meiner Drohne aufzuklären.

Ich werde bloß mal Bilder schießen.
Vor allem aus der Nachbarschaft,
wie Leute ihre Blumen gießen,
nackt baden oder stümperhaft

ihr altes Fahrrad reparieren,
in unsre gelben Tonnen pissen …
Das würd ich gerne kontrollieren,
es schadet nicht, das mal zu wissen.

Wobei – es ist nicht auszuschließen,
dass mir die Bilder zeigen werden,
dass Nachbarn, die sonst Blumen gießen,
mein Leben lange schon gefährden.

Womöglich lebe ich seit Jahren
im Zentrum einer Terrorzelle
und bin mir einfach nicht im Klaren:
Hier wohnen lauter Kriminelle!

Bislang ist das nur ein Verdacht,
doch wenn ich jetzt noch länger warte,
dann hat man mich schon umgebracht,
bevor ich meine Drohne starte.

Ich gehe aber gern als Sieger
hervor und deshalb rasch zu Werke
und bau den unbemannten Flieger,
ergänzt um eine neue Stärke:

Ich bin ja schließlich nicht naiv,
die Drohne wird jetzt explosiv.
Und gucken meine Nachbarn schief,
dann schieß ich eben präventiv!

Doch klappt es nicht auf diese Tour
und lande ich in fiesen Fängen,
dann bleibt als letztes Mittel nur,
mich selber in die Luft zu sprengen!

Michael Feindler 2014

Freiheit durch Kontrolle

Wer den Menschen erzählt, sie würden von ihren Geheimdiensten ausspioniert, gefährdet damit nicht bloß die innere Sicherheit, wie wir längst wissen. So jemand gefährdet einen Grundpfeiler unserer Demokratie: die Freiheit! Und frei ist nicht etwa derjenige, der tun kann, was er will, sondern wer wollen kann, was er tun soll. Denn Freiheit darf es in einer Demokratie nie ohne Verantwortung geben. Und Verantwortung ist bekanntlich eine Sache der Erziehung. Wenn Geheimdienste Ihre Bürgerinnen und Bürger bespitzeln, handelt es sich dabei um nichts anderes als eine gut gemeinte Erziehungsmaßnahme. Wer hätte denn früher regelmäßig seine Hausaufgaben gemacht, wenn keine schlechten Schulnoten gedroht hätten? Welches Kind würde freiwillig sein Zimmer aufräumen, wenn es nicht den Liebesentzug der Eltern fürchtete? Klar, ist das eine subtile Form von Gewalt. Aber eine gut gemeinte. Denn wer kontrolliert wird, wird sich seiner Verantwortung bewusst. Kontrolle verhindert schlechte Gewohnheiten.
Einfaches Beispiel: Wenn ich täglich vor dem Rechner hocke und Fast Food in mich reinstopfe, ist das gegenüber mir selbst verantwortungslos. Wenn ich aber weiß, dass meine Laptopkamera mein Verhalten mitfilmt und das Risiko besteht, dass die Bilder mit dem ungesunden Fraß eines Tages bei meiner Krankenversicherung landen, esse ich künftig eben nicht mehr vor dem Rechner. Oder andere Situation: Mal angenommen, ich plane eine Behörde in die Luft zu sprengen. Rein hypothetisch. Solange ich mich über das Internet kontrolliert fühle, werde ich den Sprengstoff bestimmt nicht bei einem ausbeuterischen Logistikunternehmen bestellen. Stattdessen werde ich diese schlechte Angewohnheit ablegen und zum lokalen Waffenhändler meines Vertrauens gehen. Regionale Produkte fördern.
Erst dann, wenn mich die Erziehung durch Kontrolle zu einem verantwortungsvolleren Menschen gemacht hat, werde ich die Freiheit wirklich zu schätzen wissen.

Michael Feindler 2015

Bildungsreise

Die Welt ist klein, zumindest in den Köpfen.
Wir Menschen mögen es, uns zu beschränken,
statt alle Möglichkeiten auszuschöpfen
und übern Horizont hinaus zu denken.

Nur allzu oft ertappen wir uns beim
Gedanken an erholsame Momente
in unserm eigenen, vertrauten Heim,
und wenn’s nach uns geht, darf das bis zur Rente

auch gern so bleiben, denn die beste Zeit
verbringt man, wenn das Radio ertönt
im Rahmen häuslicher Gemütlichkeit.
Man hat sich unbestreitbar dran gewöhnt.

Trotz dieser Neigung gibt es junge Spunde,
die lieber öfters aus dem Hause gehen
und die beschließen, eine große Runde
durchs Land und um den Erdenball zu drehen.

Denn sie versprechen sich von einer Reise
in andere Regionen und Gefilde,
durch die Erfahrung dort ein bisschen weise
zu werden. Schließlich heißt es, Reisen bilde.

Das tut es auch, wie der Bekanntenkreis
nach einem knappen Jahr auf Fotos sieht.
Erkenntnis Nummer eins: „Es war sehr heiß,
zu unserm Klima echt ein Unterschied!“

Und dann die Menschen anderer Kulturen!
Ein Heimgekehrter schwärmt: „Ach, war das toll
auf so lebendigen und fremden Spuren
zu wandeln. Ein Erlebnis. Eindrucksvoll.

Hinzu kommt: Sich in einem fernen Land
mit off’nem Blick und Neugier umzuschauen,
macht uns als Europäer tolerant
und hilft die Vorurteile abzubauen.“

Ein andrer Fotograf bestätigt nur:
„Ich war ja sowieso noch nie Rassist,
jetzt weiß ich aber sicher, dass Kultur
in jeder Form und Art berechtigt ist.

Das muss man nämlich stets im Kontext sehen.
Ich möchte deshalb wiederholt betonen:
Gewalt ist häufig leichter zu verstehen,
erkennt man sie als Teil von Traditionen.

Oft habe ich mich selber dran gestört.
Inzwischen prägt mich aber die Erkenntnis:
In weiten Teilen dieser Welt gehört
die Unterdrückung gar zum Selbstverständnis.

Das kommt ja schließlich nicht von ungefähr,
dass hier und da noch Diktatoren herrschen.
Und dieser Kult ums eig’ne Militär –
die Leute haben eben Spaß an Märschen.

Auch stimmt es selten, wenn man impliziert,
dass Menschen die Gewalt dort nicht ertrügen,
denn mancherorts wär’n Frauen irritiert,
wenn ihre Männer sie nicht länger schlügen.

Die Menschen werden ja zu nichts gezwungen.
Bloß weil’s uns fremd ist, ist es nicht gleich schlecht.
Im Grunde sind die ganzen Steinigungen
doch nur ein anderes Konzept von Recht.“

„Wir sollten“, heißt es weiter, „auch nichts ändern.
Wir sahen immer wieder auf der Reise:
Der Tod durch Hunger ist in manchen Ländern
schon ritualisierte Lebensweise.

In unsern Ohren klingt das zwar nach Qualen,
doch haben wir erlebt: Den Menschen dort
gelingt es, Glück und Würde auszustrahlen.
Sie sterben gern an ihrem Heimatort

und wissen bis zum letzten Atemzug
das Leben sehr zu schätzen, und zugleich
ist ihnen das, was sie erhalten, oft genug.
Dort gilt, wer niemals hungern muss, als reich.

Wir können uns daran ein Beispiel nehmen.
Denn liegen viele Orte auch entfernt,
so haben wir zum Umgang mit Problemen
im Hier und Jetzt doch einiges gelernt.“

Die Weisheit, die aus diesen Wort spricht,
bekommt in einer langen Fotoreihe
mehr Farbe und in Teilen ein Gesicht,
das meiste ist ein hübscher Blick ins Freie.

So rückt die ganze Weltgemeinschaft näher.
Es wirkt für uns vertraut und sehr gekonnt,
erklären weitgereiste Europäer
die Menschheit hinter ihrem Horizont.

Michael Feindler 2014

Strategiewende

Atomstromzeiten sind beendet,
da Energie sich hierzulande
samt Vattenfall und E.ON wendet.
Doch beide sind wohl kaum imstande,
die Folgen finanziell zu tragen –
zumindest, wenn die Aktionäre
Profitverluste bald beklagen.
Denn schließlich meinen die, es wäre
bescheuert, stünde Sicherheit
der Menschen über dem Gewinn.
Und deshalb ist es an der Zeit,
die Dinge wieder richtig hin-
zubiegen und darauf zu schauen,
dass jeder Stromkonzern genießt,
was ihn am Leben hält: Vertrauen,
indem der Geldstrom weiterfließt.

Und so verklagt nun Vattenfall
vor dubiosen Schiedsgerichten
den Staat und will auf einen Schwall
an Geld mitnichten jetzt verzichten.
Das Unternehmen E.ON fährt
da eine andre Strategie,
die hat bei Banken sich bewährt
(und dort versagte sie fast nie):
Der Stromkonzern wird jetzt gespalten
und kann danach den Kernkraft-Schrott
getrennt vom schönen Teil verwalten.
Geht dieser Müll dann mal bankrott,
so haftet, wie man sich schon denkt,
der Staat für jeden Schuldenrest –
den gibt’s von E.ON dann geschenkt,
auch außerhalb vom Weihnachtsfest.

Michael Feindler 2014